Eine unverhoffte Weihnachtsbegegnung
Wie angewurzelt blieb ich stehen, als ich an diesem kalten Novembertag
durch den Wald spazierte. Keine zwei Meter vor mir hatte sich im Gebüsch
etwas bewegt. Ich lauschte angestrengt. Da! Ein leises Atmen. Als
alleinstehende Frau mittleren Alters hatte ich schon einiges erlebt. Doch
jetzt lief es mir kalt den Rücken hinunter. Langsam ging ich näher.
Plötzlich kam ein bedrohliches Knurren aus dem Gebüsch und liess mich
erstarren. Leichte Panik stieg in mir hoch.
"Ganz ruhig, ich tu dir nichts", sagte ich mit leiser Stimme. Auch um mich selbst zu beruhigen.
Als Antwort
bekam ich ein klagendes Jaulen. Ich kauerte mich auf den Boden. Durch den
Strauch hindurch blickte ich geradewegs in zwei Augen. Dann sah ich eine
Schnauze. Krauses Fell.
"Ein Hund!", rief ich.
"Na, was machst du denn
hier?", fragte ich den Hund. Doch das Tier schaute mich nur ängstlich an.
Erst da bemerkte ich, dass es verletzt war. Sein linkes Vorderbein sah
merkwürdig verformt aus. Vielleicht ist es gebrochen, schoss es mir durch
den Kopf. Oh weh, das Tier musste schleunigst zum Tierarzt. Ich schaute mich
um, doch es war niemand da zu dem der Hund gehören konnte. Zum Glück wohnte
ich in einer kleinen Wohnung direkt am Waldrand. Ich sauste nach Hause und
holte eine Decke. Etwas widerwillig liess sich der Hund damit einwickeln.
Glücklicherweise war es ein kleiner Pudel und kein Schäferhund! Ich trug das
Tier zu meinem Auto und fuhr mit ihm zum Tierarzt.
Einige Wochen später
hatte ich mich dort nach dem Hund erkundigt. Das Tier war dank Chip wieder
bei seinem Besitzer. Dessen Name dürfe sie mir leider nicht nennen, hatte
mir die Dame am Telefon erklärt. Sei's drum. Trotzdem fragte ich mich ab und
zu wie es dem kleinen Fellknäuel wohl geht.
Am 24. Dezember spazierte ich
wieder durch den Wald. Die Ruhe, die mich jeweils umhüllte, wenn ich auf den
Waldweg einbog wurde abrupt durchbrochen von lautem übermütigem Gebell.
"Nicht Maya! Du kannst doch nicht einfach davonrennen!", hörte ich jemanden
rufen.
Und da sah ich ihn! Maya, war offenbar ein Hund und hatte mich
erkannt bevor ich ihn überhaupt sehen konnte. Freudig sprang mir der kleine
Pudel entgegen! Vor über einem Monat hatte ich ihn hier in der Nähe
aufgefunden. Ich streichelte ihn und freute mich fast genauso wie er.
"Sie
müssen entschuldigen", drang eine Stimme durch das Hundegebell.
"Ich weiss
wirklich nicht, was mit ihm los ist, das macht er sonst nie!"
Vor mir stand
eine Frau mittleren Alters. Ich erhob mich.
"Es freut mich wirklich sehr Sie
kennenzulernen", sagte ich. "Ich habe Ihren Hund letzten November verletzt
hier gefunden. Ich habe mich oft gefragt wie es ihm wohl geht!"
Ich konnte
förmlich sehen, wie bei der Frau der Groschen fiel.
"Ich…ich…danke! Einfach
nur danke! Wissen Sie ich habe Maya damals überall gesucht…Ich…ich bin
übrigens Emmi", brach es aus der Frau hervor.
"Sylvia", stellte ich mich
vor.
Gegenseitig erzählten wir uns was an jenem Tag geschehen war.
Das war
heute Morgen. Und nun sitze ich hier an Heilig Abend bei einem Festessen,
einer geschmückten Tanne und der halben Verwandtschaft von Emmi. Was für ein
schönes Weihnachtsgeschenk! Ich kann mich wirklich glücklich schätzen Maya
gefunden zu haben.
Eine Geschichte von Nicole Aeschlimann