17 Februar 2021

Gottesdienst zum Nachlesen

Vom Sämann und der Ökologie des Himmels

Weizen Ähre vor Wolken Himmel

Predigtgottesdienst zum Abschied von Pfarrer Maximilian Paulin

Der Gottesdienst vom 6. Februar 2021 im Myconiushaus konnte wegen der Pandemie nicht von allen besucht werden, die gerne hätten teilnehmen wollen. Deswegen finden Sie hier den Gottesdienst in schriftlicher Form zum Nachlesen und Nachdenken.

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Musik zum Eingang: P. Tschaikowski, Die Jahreszeiten: April

Sammlung und Gebet

1. Liebster Heiland, wir sind hier in der Andacht Stille; unsre Sinne und Begier lenke sanft dein Wille. Deines Wortes heller Schein strahl in unser Herz hinein, uns mit Licht erfülle.
2. Kehre, Jesu, bei uns ein, komm in unsre Mitte, wollest unser Lehrer sein; hör der Sehnsucht Bitte. Deines Wortes stille Kraft, sie, die neue Menschen schafft, bilde Herz und Sitte.
3. Von dir lernen möchten wir deiner Sanftmut Milde, möchten ähnlich werden dir, Gottes Ebenbilde, deiner stillen Tätigkeit, deiner armen Niedrigkeit, deines Wohltuns Milde.
4. Zeige deines Wortes Kraft an uns armen Wesen. Zeige wie es neu uns schafft, Kranke macht genesen. Jesu, dein allmächtig Wort fahr in uns zu siegen fort, bis wir ganz genesen. Amen.

(RG 165; Christian Heinrich Zeller, 1837)


Schriftlesung: Jes 55, 8-13
    Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
    und eure Wege sind nicht meine Wege, Spruch des HERRN,
    denn so hoch der Himmel über der Erde ist,
    so viel höher sind meine Wege als eure Wege
    und meine Gedanken als eure Gedanken.
    Denn wie der Regen und der Schnee herabkommen
    vom Himmel und nicht dorthin zurückkehren,
    sondern die Erde tränken und sie fruchtbar machen
    und sie zum Spriessen bringen
    und Samen geben dem, der sät, und Brot dem, der isst,
    so ist mein Wort, das aus meinem Mund hervorgeht:
    Nicht ohne Erfolg kehrt es zu mir zurück,
    sondern es vollbringt, was mir gefällt,
    und lässt gelingen, wozu ich es gesandt habe.

    Denn mit Freude werdet ihr ausziehen,
    und in Frieden werdet ihr geleitet.
    Vor euch werden die Berge und die Hügel in Jubel ausbrechen,
    und alle Bäume des Feldes werden in die Hände klatschen.
    Wacholder wird spriessen statt der Dornen,
    Myrte wird spriessen statt der Nessel.
    Und dem HERRN zum Ruhm wird es geschehen,
    als ewiges Zeichen; nie wird es getilgt.

Evangelium: Lk 8, 1-15
    Und danach geschah es,
    dass er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf zog
    und das Evangelium vom Reich Gottes verkündigte.
    Und die Zwölf waren mit ihm,
    auch einige Frauen, die von bösen Geistern und
    Krankheiten geheilt worden waren:
    Maria, genannt Magdalena,
    aus der sieben Dämonen ausgefahren waren,
    und Johanna, die Frau des Chuza, eines Verwalters des Herodes,
    und Susanna und viele andere, die ihn unterstützten mit dem,
    was sie besassen.

    Als nun viel Volk zusammenkam und Leute aus allen Städten
    ihm zuströmten, sprach er in einem Gleichnis:
    Der Sämann ging aus, seinen Samen zu säen.
    Und beim Säen fiel etliches auf den Weg und wurde
    zertreten, und die Vögel des Himmels frassen es auf.
    Anderes fiel auf Fels, ging auf und verdorrte,
    weil es keine Feuchtigkeit hatte.
    Anderes fiel mitten unter die Dornen,
    und mit ihm wuchsen die Dornen und erstickten es.
    Wieder anderes fiel auf guten Boden,
    ging auf und brachte hundertfach Frucht.

    Als er dies gesagt hatte, rief er:
    Wer Ohren hat zu hören, der höre!
    Seine Jünger aber fragten ihn, was dieses Gleichnis bedeute.
    Er sprach: Euch ist es gegeben,
    die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen,
    zu den anderen aber wird in Gleichnissen geredet,
    damit sie sehend nicht sehen
    und hörend nicht verstehen.
    Das Gleichnis aber bedeutet dies:

    Der Same ist das Wort Gottes.
    Die auf dem Weg sind die, welche es hören.
    Dann kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihren Herzen,
    damit sie nicht zum Glauben kommen und gerettet werden.
    Die auf dem Fels sind die,
    welche das Wort hören und freudig aufnehmen.
    Doch sie haben keine Wurzeln:
    Eine Zeit lang glauben sie,
    in der Zeit der Versuchung aber fallen sie ab.
    Das unter die Dornen Gefallene, das sind die,
    welche es gehört haben und dann hingehen und von
    Sorgen und Reichtum und Freuden des Lebens erstickt
    werden und die Frucht nicht zur Reife bringen.
    Das auf dem guten Boden, das sind die,
    welche das Wort mit rechtem und gutem Herzen gehört haben,
    es bewahren und Frucht bringen in Geduld.

Predigt

Liebe Myconius-Gemeinde,
liebe Mitchristinnen und Mitchristen aus der Pfarrei St. Karli

Das Gleichnis vom Sämann ist ein bekanntes und so schönes Gleichnis, eines meiner Lieblingsgleichnisse. Und weil es so schön ist, fällt gar nicht auf, dass wir es häufig recht moralisierend lesen, meditieren und auslegen. In der Tat, in dem Gleichnis scheint ein moralischer Zeigefinger zu stecken: Die und diese und jene machen es nicht gut; da kann der Same des Wortes Gottes nicht wachsen, weil er von den Vögeln gefressen wird, kein Wasser hat, vom Unkraut erstickt wird.

Das Gleichnis hat auch etwas Frustriertes; es geht eigentlich um das Scheitern des Wortes Gottes. Das Wort erreicht nicht, was es erreichen sollte; keimt nicht, wächst nicht, blüht nicht, bringt keine Frucht – ausser bei der letzten Sorte von Menschen, den Guten, ja, den Perfekten.

Jesus (oder die, die das Gleichnis weitererzählt und aufgeschrieben haben) sind also mit etwas nicht zufrieden. Es ist etwas nicht so, wie sie es erwarten, dass es sein sollte. Wie auch die Situation bei Jesaja: Der muss den Leuten versichern, dass das Wort Gottes wirkmächtig ist wie Schnee und Regen, gerade weil sie die Erfahrung machen, dass es offenbar überhaupt nichts bewirkt: Jerusalem wurde damals von den Assyrern erobert, die oberen Zehntausend der Jüdinnen und Juden ins Exil nach Babylon deportiert. Dort fragen sie sich jetzt, ob Gott denn überhaupt Macht hat über etwas oder ihre Religion einfach eine nette Geschichte ist.

Auch Jesus spürt offenbar, dass seine ZuhörerInnen den Eindruck haben, dass etwas nicht gut läuft mit diesem ersehnten Reich Gottes. Dabei: Äusserlich läuft es gerade recht gut. Die Leute strömen in Scharen herbei, alle zwölf Jünger sind da und noch dazu ganz viele Frauen, Jüngerinnen. Einige von ihnen haben sogar ihr Hab und Gut dieser jungen Bewegung um Jesus zur Verfügung gestellt. Die Leute haben ganz grosse Erwartungen. – Aber die erfüllen sich offenbar nicht so recht. Und Jesus reagiert darauf und „spricht in einem Gleichnis“.

Was will er nun mit diesem Gleichnis sagen? Das ist die Frage.
Eine Interpretation ist – und die gibt Jesus im Anschluss selbst sei-nen Jüngerinnen und Jüngern; oder vielleicht ist es vielmehr so, dass die sich dann an so eine Interpretation erinnern, als sie das weiter-erzählen und aufschreiben, weil sie ihnen am logischsten erscheint. Diese Interpretation ist die, dass Jesus hier erklärt, warum es bei den meisten Menschen nicht klappt mit dem Reich Gottes:

Bei den einen kommt der Teufel und nimmt gleich alles wieder weg, die anderen haben einfach zu wenig Durchhaltewillen, die dritten sind zu abgelenkt und anderweitig zugeschüttet vom Leben. Nur bei den Erwählten – die JüngerInnen selbst zählen sich wohl zu diesen – kann Gottes Botschaft Frucht bringen.

Diese Interpretation wird verständlich, wenn man die Erfahrungen der ersten ChristInnen bedenkt: Es wollten eben nicht alle Menschen von Jesus etwas wissen. Viele haben diese eigenartige Lehre abge-lehnt, haben sich gegen die Gemeinde gestellt. Es hat Konflikte und Streit gegeben, nicht selten wohl mitten durch Familien hindurch. Und manche scheinen auch einfach das Wesentliche nicht kapiert zu haben, so dass ihr Leben im Prinzip genauso weiterging wie vorher. Ist das Wort Gottes also nur bei einer Minderheit der Menschen wirkmächtig?

Vor dem Hintergrund kann man diese Interpretation also gut nachvollziehen. Aber trotzdem: ich finde, sie passt eigentlich nicht wirklich zu Jesus. Geht es Ihnen auch so? Jesus hat die Menschen nicht so abgeurteilt, sie nicht so in Kategorien eingeteilt. So: bei diesen bringt die Botschaft Gottes keine Frucht; nur bei den guten, wahren Gläubigen. Und darum will ich Ihnen vorschlagen, dass wir das Gleichnis von der ausgebrachten Saat anders interpretieren, anders lesen. Mehr inspiriert von der Haltung, die Jesus den Lilien im Feld gegenüber einnimmt:

Gott wirft den Samen, sein Wort, seine Botschaft, seine Liebe, ganz grosszügig aus:

Er wirft es auch auf den Weg, wo doch „nur“ die Vögel kommen und es auffressen! Schön, dass sie kommen und was zu Fressen haben! Sie haben auch ein Recht zu leben, und auch in ihnen wird ja der Same lebendig! Quicklebendig.

Dann gibt es da Felsen: Besondere Orte, die den Lebensraum abwechslungsreich machen. Jesus sagt es ja sogar: Das sind die Begeisterungsfähigen, Menschen, die gleich Feuer und Flamme sind für das Wort. Ich stelle mir da, im Bild, so einen warmen, sonnen-beschienen Felsen vor. Zwischen Grasmatten auf einer Alpe. Da, wo sich Eidechsen sonnen und Insekten sich tummeln. Vielleicht hat sich vom letzten Regen auch noch ein wenig Wasser in einer Ritze, in einer Mulde gesammelt. – Da würde ich als Saatkorn auch aufgehen, in dieser Wärme. Dann muss ich es natürlich mit meinen Wurzeln bis in die Grasmatte schaffen, um noch Wasser zu haben, wenn dann die Sonne höher steht. Und wenn nicht, dann gibt es bald für eine Gämse besonders gesunde Keimlinge zu fressen. Alles hat seinen Ort in der Natur. Alles darf sein.

Und zu den „Dornen“ sagen wir heute Mischkultur. Jesus hatte ein Auge dafür, dass Gottes Lebensraum nie für eine einzige Art, nie auf einen einzigen Zweck festgelegt ist. Drum hat er die Lilien des Feldes so geschätzt, die Blumen im Acker. Auch Disteln sind schöne Blumen, besonders ausgestattet für einen bestimmten Lebensraum. Sie vertragen kargen Boden und mehr Hitze als andere Pflanzen, geben mit ihren grossen Blüten Bienen und Hummeln Nahrung und beschatten den Untergrund, damit er nicht austrocknet und so viele andere Pflanzen erst wachsen können.

Im übertragenen Sinn heisst dies: Kein Ziel, keine Vergnügung und Ablenkung, kein Lebensprojekt ist grundsätzlich illegitim. Es kommt immer darauf an, von welcher Seite man es sieht. Und wie es sich verträgt mit der Fülle des Lebens und wie es zurechtkommt mit anderen Lebensentwürfen. Gottes Wort will vielfältig Frucht bringen! Dreissigfach, sechzigfach, ja hundertfach (so heisst es in der Parallelstelle bei Matthäus 13,8).

Am wenigsten dürfte dies allerdings ausgerechnet mit dem vierten, dem „guten“ Boden rigider Glaubens-Monokulturen gelingen. Aber damit haben wir Heutigen unseren moralischen Zeigefinger erhoben. Was ja nicht heisst, dass da nicht etwas dran ist...

Ich wünsche Ihnen vielfach fruchtbaren Boden in ihrer Quartierstrasse, in Ihrem Garten, in Ihrer Nachbarschaft, in Ihrer Familie, in Ihrem Leben.

Musik: P. Tschaikowski, Jugendalbum: Gesang der Lerche.

Wir bitten...
- um guten und vielgestaltigen Boden.
- dass wir erkennen, was uns mit unserem Lebenraum geschenkt ist.
- dass wir Menschen die grossen Zusammenhänge respektieren und nicht kurzfristigen Gewinn über das grosse Ganze stellen.
- dass wir unseren Sinn für Schönheit entwickeln und verfeinern.
- dass wir achtsam und aufnahmefreudig in unsere Welt schauen, und dass wir sie mit Feingefühl und mit Liebe für das Detail gestalten.
- dass wir unsere Beziehungen fruchtbringend gestalten, aufeinander zugehen, dem anderen Raum und Nahrung geben, Entfaltungsmöglichkeit, Anerkennung.
- dass wir unseren Sinn für Humor pflegen, miteinander lachen können und so Mut schöpfen auch bei schwierigen Problemen.
- dass wir Corona als Chance ergreifen, miteinander und mit unserer Mitwelt behutsam und rücksichtsvoll umzugehen, manche unserer überzogenen Bedürfnisse zurückzunehmen, um Leben zu fördern und zu erhalten, und den Blick für das Wesentliche zu schärfen.
- dass wir als Gemeinschaft hier im Quartier, wir als Myconiusverein, ein Ort bleiben und immer wieder neu werden, an dem Gottes Wort keimen, Wurzeln schlagen, wachsen und Frucht bringen kann, und dass dies auch weiterhin in der fruchtbringenden Gemeinschaft mit unseren katholischen Nachbarinnen und Nachbarn der Pfarrei St. Karli geschehen kann.
- um fruchtbaren Boden für alle, die uns vorausgegangen sind, du Lebender, in Deiner Ewigkeit.

Zum Dank
1. Herr, die Erde ist gesegnet von dem Wohltun deiner Hand; Güt und Milde hat geregnet; dein Geschenk bedeckt das Land. Auf den Hügeln, in den Gründen ist dein Segen ausgestreut; unser Warten ist gekrönet, unser Herz hast du erfreut.
2. Aller Augen sind erhoben, Herr auf dich zu jeder Stund, dass du Speise gibst von oben und versorgest jeden Mund. Und du öffnest deine Hände, dein Vermögen wird nicht matt; deine Hilfe, Gab und Spende machet alle froh und satt.
3. Du gedenkst in deiner Treue an dein Wort zu Noahs Zeit, dass dich nimmermehr gereue deiner Huld und Freundlichkeit. Und so lang die Erde stehet, über der dein Auge wacht, soll nicht enden Saat und Ernte, Frost und Hitze, Tag und Nacht.
6. Hilf, dass wir dies Gut der Erden treu verwalten immerfort. Alles soll geheiligt werden durch Gebet und Gottes Wort. Alles, was wir Gutes wirken, ist gesät in deinen Schoss, und du wirst die Ernte senden unaussprechlich reich und gross.

(RG 543; Christian Rudolf Heinrich Puchta, 1843)



Musik zum Abschluss: E. Grieg, Das Vöglein.

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Der Segen Gottes begleite Euch, alle Menschen im Quartier und den Gemeindeverein Myconiushaus immerfort. Der Same Gottes mache Euch glücklich und lasse Euch Frucht und Freude bringen.
Ihnen und Ihren Lieben für alle Zukunft alles Gute!